Mikrotrauma - Wenn seelische Verletzungen tiefe Wunden hinterlassen

Vermutlich kennst du den Begriff noch nicht und möglicherweise fragst du dich: Aber Frau Unger, mir ist doch nichts traumatisches Widerfahren. Andere haben doch viel Schlimmeres erlebt.

In diesem Beitrag möchte ich dir verschiedene Arten von Trauma vorstellen und du wirst feststellen, dass bereits vermeintlich kleine Verletzungen tiefe seelische Verletzungen hinterlassen können. 

Was ist ein Trauma?

Ein Ereignis wird als traumatisch bezeichnet, wenn sich als direkte oder indirekte Folge psychische Beschwerden entwickeln. Ein Trauma des Typ-I ist in der Regel zeitlich begrenzt, tritt plötzlich auf und stellt eine Bedrohung der eigenen Unversehrtheit oder gar des eigenen Lebens dar. Darunter zählen zum Beispiel Gewalttaten oder schwere Unfälle. 

Bei einem Typ-II-Trauma handelt es sich hingegen um eine chronische Traumatisierung. Die Ereignisse treten wiederholt und meist über einen längeren Zeitraum auf und werden als unausweichlich wahrgenommen. Beispiele hierfür sind wiederholte sexuelle Übergriffe oder anhaltende häusliche Gewalt.

Die wohl bekannteste Traumafolgestörung ist die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Eine PTBS zeichnet sich durch die Trauma-Trias: Wiedererleben, Vermeidung und Übererregung aus und geht häufig mit veränderten Grundannahmen, einer Veränderung der Gefühlswahrnehmung sowie mit Schuld- und Schamgefühlen einher.

Was ist ein Mikrotrauma?

Selbst in meiner Arbeit als Psychotherapeutin kommt der Begriff nur selten auf und ist sogar für einige meiner Kolleg*innen bislang noch fremd, das möchte ich gerne ändern und für das Thema sensibilisieren. 

Dr. Francine Shapiro (2001) unterscheidet erstmals zwischen zwei Arten von Traumata, dem Big-T-Trauma und dem Small-t-Trauma.

Das Big-T-Trauma entspricht dem klassischen Traumabegriff. Darunter werden Ereignisse verstanden, die lebensbedrohlich sind oder schwerwiegende körperliche Verletzungen herbeiführen.

Das  Small-t-Trauma umfasst Ereignisse, die mit intensiven Gefühlen von Erschrecken, Angst, Hilflosigkeit und vermeintlicher Schuld oder Scham verbunden sind, denen jedoch der lebensbedrohliche Charakter fehlt. Wenn sich Ereignisse dieser Art über einen längeren Zeitraum hinweg häufen und Betroffene den Eindruck der Unausweichlichkeit haben, sprechen wir von Mikrotrauma. Richard Seides (2010) fand heraus, dass lang anhaltende, sich wiederholende kleine Verletzungen ebenfalls zu einer Vielzahl psychischer Symptome führen können.

Erschreckenderweise erleben 70% aller Menschen weltweit mindestens einmal in ihrem Leben ein Trauma oder ein Mikrotrauma (Kessler et al., 2017). 

 
 

Was sagt die Leitlinie?

In den verhaltenstherapeutischen Leitlinien zur Behandlung von PTBS wird beschrieben, dass nicht nur lebensbedrohliche Situationen, sondern bereits die Anhäufung kleinerer Verletzungen zu einer Symptomatik führen kann, die der von PTBS-Patienten stark ähnelt. Es scheint einen “subjektiven Faktor” zu geben, der beeinflusst, ob und wie stark sich eine Symptomatik zeigt.

Quelle: S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung (2019). Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT). Stand: 2019



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