Was hat deine Kindheit mit deinem Selbstvertrauen zu tun?

Hast du auch öfters den Eindruck, dass dein Selbstvertrauen stärker sein könnte? Hast du dich schon einmal gefragt, weshalb gerade du wenig Selbstvertrauen hast? Und weshalb es anderen scheinbar mühelos gelingt, an sich selbst zu glauben, die höchsten Ziele zu verfolgen und mutig Herausfoderungen anzunehmen? Dann bist du hier genau richtig!

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir etwas tiefer in die Entwicklungspsychologie des Menschen eintauchen. Und noch genauer, in die Bindungstherorie - in das Modell also, welches sich damit beschäftigt, wie sich frühkindliche Beziehungsmuster auf das Bindungserhalten von Kindern und späteren Erwachsenen auswirkt. Denn unsere frühen Bindungserfahrungen haben viel damit zu tun, wie wir als Erwachsene über uns selbst und andere denken. Und das wiederum bestimmt unter anderem, wie stark unser Selbstvertrauen ausgeprägt ist.

John Bowlby, Mary Ainsworth und Harry Harlow sind berühmte Forscher und Vertreter der Bindungstheorie. Sie haben in jahrelangen Studien untersucht, wie sich das elterliche Verhalten auf das Beziehungsverhalten der Kinder auswirkt.

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Dabei haben sie festgestellt, dass es für ein sicheres Bindungsgefühl gerade in den ersten Lebensjahren wichtig ist, dass Eltern die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Kinder ernst nehmen und zuverlässig auf diese eingehen. Auf diese Weise erhalten die kleinen Menschen nicht nur Rückmeldung über ihr eigenes Befinden und lernen, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, sondern sie sind auch in der Lage folgende grundlegende Glaubenssätze zu entwickeln:

  • Ich bin dazu in der Lage, Unterstützung zu mobilisieren

  • Ich bin ein liebenswerter Mensch

  • Meine Mitmenschen sind zuverlässig und nehmen meine Bedürfnisse ernst

  • Andere Menschen sind da, wenn ich sie brauche

Ein sicheres Bindungsgefühl in den ersten Lebensjahren führt nachweislich zu einer erfolgreichen kognitiven Entwicklung, flexiblem Denken, einem positiven und ausgereiften Selbstbild, einem höheren Selbstwertgefühl, Bewusstheit über Gefühle, Bedürfnisse, Schwächen und Stärken, einer gesunden Lebenstüchtigkeit sowie zu einer neugierigen und offenen Lebenseinstellung. Auch entwickeln sich diese Menschen meist zu einfühlsamen und kooperativen Erwachsenen.

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Insgesamt entwickeln sich Menschen, die sich in ihrer Beziehung zu den Eltern sicher gebunden fühlen, mit höherer Wahrscheinlichkeit zu widerstandsfähigen und erfolgreichen Menschen, als Menschen, die in unsicheren/vermeidenden oder desorganisierten Bindungsstilen aufgewachsen sind.

Sie erleben auch im Erwachsenenalter häufiger Beziehungen, in denen sie sich verbunden und wertgeschätzt fühlen. Das heißt, dass sie auch weiterhin positive Erfahrungen sammeln: in Beziehungen, im Berufsleben, ihrer Lebensführung und ihrer Selbstkontrolle. Diese positiven Erfahrungen unterstützen also während ihres gesamten Lebens die Stabilisierung ihres Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens. Ein positiver Verstärkungs-Kreislauf also!

Doch wie entwickeln sich Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl bei Menschen, die in ihrer Kindheit keine sichere Bindung zu ihren Eltern oder weiteren Bezugspersonen erleben konnten?

Bowlby postulierte drei weitere Bindungsstile, die sich unterschiedlich auf das Erleben und die Entwicklung von Menschen auswirken: unsicher-vermeidender Bindungsstil, unsicher-ambivalenter Bindungsstil und desorganisierter Bindungsstil.

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Unsicher-Vermeidender Bindungsstil

Die Bezugspersonen reagieren ablehnende auf die Kontaktversuche. des Kindes. Die wiederholten Ablehnungserfahrungen und der darin erlebte Schmerz lernt das Kind schließlich zu vermeiden, indem es beginnt, Beziehungen zu vermeiden.

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Unsicher-Ambivalenter Bindungsstil

Die Eltern reagieren für das Kind unvorhersehbar und wechselhaft. So erlebt das Kind sowohl Sehnsucht nach den Eltern als auch schmerzhafte Ablehnung und gewinnt dabei den Eindruck, dass es hilflos ausgeliefert sei und die aktuelle Befindlichkeit der Eltern stetig beobachten müsse.

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Des-organisierter Bindungsstil

Bowlby nimmt an, dass in diesen Familien schwere Traumatisierungen oder schizophrene Zustände der Eltern vorliegen. Dies könnte das unzusammenhängende, nicht eindeutig zuordenbare Verhalten der Eltern gegenüber ihren Kindern erklären. Die Folge ist ein ebenfalls desorganisiertes Bindungsverhalten bei den Heranwachsenden.

Wie hängen nun diese Bindungsstile mit dem späteren Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zusammen?

Du hast sicher schon davon gehört, dass deine Glaubenssätze über dich selbst und andere beeinflussen, wie du dich mit dir selbst und anderen verhältst. Und du kennst sicherlich den Spruch. “Wie es in den Wald hineinschreit, so schreit es zurück!”

Das heißt, dass du mit deinem Verhalten im wesentlichen deine Erfahrungen mitbestimmst, natürlich oft ganz unbewusst. Deine Erfahrungen zementieren oder verändern dein Selbst- und Fremdbild. Du siehst, alles hängst miteinander zusammen.

Ein weitere Forschungsgruppe entwickelte hierzu ein Modell (Bindungsmodell nach Bartholomew und Horowitz), welches eine psychodynamische Erklärung liefert.

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Dieser Zusammenhang mag erklären, weshalb unsere frühkindlichen Erfahrungen so großen Einfluss darauf haben, wie wir uns als Erwachsene schließlich selbst sehen, wie wir mit der Umwelt kommunizieren und welche Erfahrungen wir dadurch im Leben machen.

 

In der folgenden Grafik siehst du, wie all die kleinen Puzzle-Teile zusammenspielen und wie sie die Entwicklung deines Selbstvertrauens maßgeblich mitbestimmen.

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Diese Bindungsstile sind über die Lebenszeit relativ stabil und werden vor allem bei Stress aktiviert.

In der Psychotherapieforschung konnte jedoch gezeigt werden, dass diese Stile nicht in Stein gemeißelt sind. Auch im Erwachsenenalter ist es noch möglich, durch korrigierende positive Beziehungserfahrungen das eigene Gefühl von Verbundenheit zu verändern und damit auch das eigene Selbst- und Fremdbild positiv zu beeinflussen.

Auch wenn wir also in der Kindheit mit wenigen guten Erfahrungen gestartet sind und dadurch nicht in der Lage waren, uns selbst kennen und lieben zu lernen, können wir auch als Erwachsene noch daran arbeiten, unser Bild von uns und anderen positiv zu verändern und somit ein starkes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl aufzubauen!